Die Zeit der Hausbesetzung 1990 - 1999Am 4. August 1990 verhinderte die Besetzung des Gebäudes schließlich die Sprengung. Die Kinzigstraße 9 wurde aus einer Großdemonstration gegen die Wohnungspolitik des Berliner Magistrats heraus und mit maßgeblicher Unterstützung von Hausbesetzern aus der benachbarten Mainzer Straße besetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Plattenbauten gegenüber und neben dem Haus noch im Bau. Der Grund für die Besetzung der Kinzigstraße 9 war nicht nur die drohende Sprengung, sondern auch die umfangreichen Möglichkeiten, die die großen Räume im Quergebäude boten. In der Folge diente das Quergebäude sowohl für Tagungen des Berliner Besetzerrates, als auch für Parties und andere größere Veranstaltungen. Während der militärischen Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße vom 12. bis 14. November 1990 existierte auch ein Räumungstitel für die Kinzigstraße 9, der jedoch – vermutlich wegen logistischer Probleme der Berliner Polizei – nicht umgesetzt wurde. Dennoch verließ die ursprüngliche Besetzergruppe noch im November desillusioniert das Haus. Die Kinzigstraße 9 stand daraufhin für kürzere Zeit wieder leer. Im Winter 1990/91 wurde das Haus Stück für Stück von kleineren Besetzergruppen und Einzelpersonen bezogen, die jedoch keine zusammenhängende Hausgruppe darstellten. Darunter waren Punks, Obdachlose und Trebejugendliche, aber auch Drogendealer. In der Folge kam es zu zwei Drogentoten in der Kinzigstraße 9. Die Punks warfen schließlich die Drogendealer aus dem Haus und etablierten eine geschlossene Hausgemeinschaft. In der Folge erlangte die Kinzig 9 als „härtestes Punkhaus Deutschlands“ große Bekanntheit und wurde zum Treffpunkt für Punks aus ganz Europa. Das gesamte Quergebäude wurde im Jahr 1991 Tag und Nacht für Parties genutzt, in Vorderhaus und Seitenflügel wohnten zeitweise bis zu 80 BewohnerInnen und Gäste. Es kam zu schweren Konflikten zwischen den neu eingezogenen Nachbarn der Plattenbauten und den BesetzerInnen, vor allem aufgrund von ruhestörendem Lärm und Sachbeschädigungen. Mehrere Räumungsbegehren der zuständigen Wohnungsbaugesellschaft wurden vom Senat ignoriert. In den Jahren 1991-92 verübten Neonazis mehrere Brandanschläge auf die Kinzigstraße 9. Dabei wurden Teile des Vorderhauses, vor allem die herrschaftliche Wohnung im 1.OG und die Stuckdecken der Durchfahrt unwiederbringlich zerstört. Von der Ausstattung des 1.OG blieben lediglich die Fliesen der Küche, sowie einige großflächige Teile der Mosaiklinoleumböden und der Linkrusta-Tapete erhalten, die heute in Berlin Einzelstücke aus der Erbauungszeit darstellen. Teile des Vorderhauses waren in der Folge unbewohnbar; die Zahl der BesetzerInnen nahm stark ab. Anfang 1992 zog eine weitere Besetzergruppe aus dem Umfeld der ehemaligen Mainzer Straße in den mittlerweile wieder leerstehenden Seitenflügel und das Quergebäude ein und begann mit der Instandsetzung. Das Vorderhaus wurde weiterhin von Punks bewohnt. Die beiden BewohnerInnengruppen konnten sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, und es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen untereinander. In den Folgejahren agierten beide Gruppen isoliert voneinander. Der große Laden des Vorderhauses wurde als Kneipe genutzt. Im Quergebäude entstanden eine gemeinnützige Tischlerei und ein Veranstaltungssaal, die von der BesetzerInnengruppe als Jugend- und Kulturprojekte betrieben wurden. Teile des Quergebäudes wurden zu Wohnräumen umgebaut. Einzelne Wohnungen im Seitenflügel erhielten Mietverträge, der Rest des Hauses blieb bis 1998 besetzt. Die senatseigene Wohnungsbaugesellschaft WBF führte in den 90er Jahren mehrfach Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen durch, welche die denkmalschutzrelevante Substanz des Gebäudes teilweise zerstörten. So wurde der Seitenflügel 1993/94 so saniert, das heute fast nichts mehr an sein ehemaliges Erscheinungsbild erinnert. Obwohl das Gebäude bereits im September 1995 unter Denkmalschutz gestellt wurde, ließ die WBF 1996 die beiden Hoftore der Durchfahrt entfernen und verschrotten. Das jetzige Hoftor ist ein Nachbau. Ebenfalls 1996 begann die WBF mit dem Abschlagen der maroden Straßenfassade, was nur durch die Intervention der BesetzerInnen und des Denkmalamtes unterbunden werden konnte. Der fehlende Stuck auf der linken Fassadenseite wurde damals zerstört. Die WBF versuchte in dieser Zeit mehrfach das Gebäude zusammen mit dem angrenzenden Bauland an größere Investoren zu verkaufen. Diese Bemühungen scheiterten jedoch aufgrund der Denkmalschutzauflagen und der Besetzung des Gebäudes. Am 8.10.1996 wurde das besetzte Vorderhaus polizeilich geräumt, in der Folgezeit aber von den BesetzerInnen des Quergebäudes nach und nach wiederbesetzt. Material: Oktober 1998: Kinzig-Bote Nr. 0 Der Kinzig-Bote wurde von den BewohnerInnen der K9 herausgegeben, um AnwohnerInnen über die Projekte zu informieren. |